Die Rubrik Eselsohren erscheint jeden Monat in meinem Monatsrückblick. Darin teile ich, was ich in dem jeweiligen Monat gelesen habe und wie es mir gefallen hat. Fachbücher lasse ich dabei außen vor. Hier findest du eine Zusammenfassung der Eselsohren 2024
Yoga Town von Daniel Speck
Yoga Town von Daniel Speck
Ich liebe dieses Buch! Die Geschichte spielt auf zwei Zeitebenen. Einmal in der heutigen Zeit, in der Lucy, eine Yogalehrerin aus Berlin, in eine Lebenskrise gerät und sich mit ihrem Vater Lou auf den Weg macht nach Rishikesh in Indien, um dort ihre Mutter zu suchen. Und es spielt Ende der 60er Jahr als Lou mit seiner damaligen Freundin Marie und seinem Bruder Marc über den Hippie Trail nach Rishikesh reist. Dort trifft er auf die Beatles, die sich bei ihrem Guru Maharishi aufhalten um meditieren zu lernen und zudem in dieser Zeit die Songs für ihr White Album komponieren.
Es ist nicht nur, dass ich eine besondere Verbindung zu der Geschichte habe, weil mein eigener Meditationslehrer im selben Jahr wie die Beatles dort war und von Maharishi zum Meditationslehrer ausgebildet wurde. Dadurch sind die Erzählungen dazu im Buch für mich natürlich besonders spannend! Sondern das Buch ist auch an sich einfach fabelhaft geschrieben, als würde man innerlich einen Film schauen statt zu lesen und die Geschichte ist spannend und mitreißend. Die Tatsache, dass ich gerade mitten in meiner Yogalehrer-Aubildung bin und eine der Hauptfiguren Yogalehrerin ist und sowieso Rishikesh als eine der Hochburgen des Yoga gilt, tut ihr übriges. Ich weiß ja nicht, was mit mir los ist, aber auch bei diesem Buch habe ich am Ende Rotz und Wasser geheult. Es ist überhaupt nicht schnulzig, sondern voller Lebensweisheiten und leichtfüßigem Tiefgang. Mega!
Überwintern von Katherine May
Überwintern von Katherine May
Was gute Bücher angeht, hab ich grad echtn Run! Auch dieses Buch ist SOOO toll. Ich habs verschlungen und gleichzeitig mich gezügelt langsamer zu lesen um jede Zeile zu genießen. Es geht um Winter im weitesten Sinne, in der Natur, als Zustand in unserem Geist und in unserer Seele. Die Autorin berichtet aus ihrem eigenen Leben, von eigenen Erfahrungen u stellt Bezüge her zu Film, Literatur und Mythologie. Außerdem ist das Buch auch rein sprachlich ein Sahneteilchen.
Ein Geist in der Kehle von Doireann Ni Ghríofa
Ein Geist in der Kehle von Doireann Ni Ghríofa
Doireann Ni Ghríofa ist eine irische Dichterin, die mit diesem Buch ihr Prosadeput gegeben hat. Die Ich-Erzählerin verbringt ihren Alltag als zunächst dreifache, dann vierfache Mutter, stets übermüdet, zwischen Windeln, Terminen, Hausarbeit, Todo-Listen und Strömen von Milch zu jeder Tages- und Nachtzeit. In all dem entwickelt sie eine Obsession für einen Text aus dem 18. Jahrhundert, dem „Klagelied für Art Ó Laoghaire“ verfasst von der irischen Adligen Eibhlín Dubh Ní Chonaill, deren Mann ermordet wurde. Die Ich-Erzählerin vertieft sich in die Recherche zu den Hintergründen dieses Textes und der Verfasserin. In dem Buch entfalten sich beide Frauenleben, so eng verbunden, obwohl sie Jahrhunderte auseinanderliegen.
Das Werk von Doireann Ni Ghríofa ist sehr eigenwillig, experimentell und ein absoluter Lesegenuss. UND: dies ist ein weiblicher Text – wie auch die Autorin selber immer wieder betont. Toller Bonus: hinten im Buch befindet sich der Text des Klageliedes von Eibhlín Dubh Ní Chonaill, einmal Original in Gälisch, dann in Englisch und auch in Deutsch.
Der verborgene Garten von Kate Morton
Der verborgene Garten von Kate Morton
Was ich besonders liebe ist, wenn Bücher so gut geschrieben sind, dass ich beim Lesen vergesse, dass ich ein Buch lese und stattdessen mehr das Gefühl habe einen inneren Film anzuschauen. Es ist doch irgendwie magisch, dass diese Hyroglyphen auf Papier genau das bewirken können: innere Bilder und lebendige Szenen erzeugen während wir sie mit unseren Augen abscannen. Das fasziniert mich immer wieder 🙂 Dieses Buch ist so eins, dem genau das gelingt. Es ist eine tolle Mischung aus Familiensage, Krimi und Liebesgeschichte. Cassandra erbt von ihrer Oma Nell ein altes Cottage an der Küste von Cornwall. Hier lüftet sie ein Geheimnis, das hundert Jahre zuvor seinen Anfang nahm und über drei Generationen hinweg die Frauen einer Familie miteinander verbindet.
Zugvögel von Charlotte McConaghy
Was ein grandioses Buch! Zugvögel ist der Debut Roman von Charlotte McConaghy. Ich hab zuerst ihr zweites Buch gelesen und war froh, dass sie noch ein Buch veröffentlich hat. So konnte ich direkt weiter eintauchen. Und mit großer Freude habe ich auf Instagram gelesen, dass sie ihr drittes Buch schon fertig geschrieben hat. Dies wird vermutlich noch in diesem Jahr veröffentlicht.
Die Hauptfigur in Zugvögel ist Franny, eine junge Frau mit irischen Wurzeln, aufgewachseln in Australien, die den letzen Küstenseeschwalben auf ihrem Weg in die Antarktis folgt und dabei im Innen und Außen an ihre Grenzen kommt – und ihren Weg findet, zu sich und auch zurück ins Leben. Es geht um Liebe, Tod, Begeisterung und Hingabe, Naturgewalten in uns und um uns herum und es geht um die Frage, was uns ausmacht, und was es ist, das die Wege bestimmt, die wir im Leben gehen. Das Buch basiert auf der Dystopie einer Welt, die mit den fortgeschrittenen Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert ist. Und es geht um die letzten Küstenseeschwalben. Faszinierenderweise sind das die Zugvögel mit der längsten Flugstrecke. Sie überwintern im Südpolargebiet und fliegen dann zum Nordpolargebiet um dort zu brüten. Und manchmal müssen auch wir Menschen weite Wege zurücklegen, um anzukommen.
Das Buch ist großartig geschrieben. Die Charaktere sind intensiv gezeichnet. Ich liebe und hasse es zugleich, wenn ich ein Buch ausgelesen habe und noch tagelang daran zurückdenke, es gleich nochmal wieder von vorne beginnen möchte, nur um die Menschen wiedertreffen zu können, die zwischen den Buchdeckeln in der Geschichte des Romans leben und in mir lebendig geworden sind. Genau solch ein Buch ist Zugvögel!
Die Zeitreisende von Ute Lemper
Ute Lemper ist ein echtes Multitalent – begnadete (Chanson)Sängerin, Musicaldarstellerin und Tänzerin, zudem Schauspielerin und Künstlerin, und „neben“ ihrer Weltkarriere natürlich auch Privatperson UND Mutter von vier Kindern. Ich wette sie ist Manifestierende Generatorin 😉 Letztes Jahr ist sie 60 geworden und zu diesem Anlass hat sie ihre Autobiografie „Die Zeitreisende – zwischen Gestern und Morgen“ veröffentlicht. Darin gibt sie Einblicke in ihr Leben.
Während sie einen Bogen spannt von den Anfängen ihrer Karriere bis heute bekommt man vor allem auch ein Bild von Ute Lemper als Mensch, zwischen Beruf und Privatleben, zwischen Glück, Zweifeln und Krisen. Sie erzählt nicht nur von den Meilensteinen, den Hochs und Tiefs ihrer Karriere und besonderen Begegnungen mit anderen Künstlern und Kollegen, sondern sie spricht auch sehr offen über die Grätsche zwischen den Anforderungen ihres Berufes und ihrem Privatleben als Frau und Mutter. Super spannend ist auch, dass ihr persönlicher Blick zurück gleichzetig auch ein spannender Einblick in unsere Zeitgeschichte ist.
The Idea of You von Robinne Lee
Das Buch The Idea of You von Robinne Lee ist die Buchvorlage zum Film Als du mich sahst. Ich habe zuerst den Film gesehen und daraufhin jetzt das Buch gelesen. Ich dachte, es ist eine „easy reading“ locker leichte Sommerlektüre. Weit gefehlt!
Die weibliche Hauptfigur, Solene, führt eine gut laufende Galerie in LA. Sie ist Ende Dreißig, Mutter, geschieden. Ihre pubertierende Tochter (im Buch ist sie 12, im Film 16) schwärmt für eine weltweit angesagte Boygroup. Von ihrem Vater, Solenes Ex-Mann, hat sie Konzertkarten inklusive Meet & Greet für eben diese Band geschenkt bekommen. Als er sie und ihre Freunde nun doch nicht dorthin begleiten kann, springt Solene kurzfristig ein. Bei dieser Veranstaltung trifft sie zufällig auf Hayes, einen der Sänger der Band. Die beiden fühlen sich zueinander hingezogen – und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Solene und Hayes beginnen eine leidenschaftliche Romanze, die sie zunächst versuchen geheim zu halten. Sie lernen sich näher kennen, haben gemeinsame Interessen und der Humor zwischen den beiden ist köstlich. Außerdem geht es sehr leidenschaftlich zu, wenn die zwei sich treffen. Die beiden passen einfach total gut zusammen. Klar, dass sie sich mehr und mehr ineinander verlieben.
Könnte alles ganz wunderbar sein, wäre da nicht ein Haken, genauer genommen gleich zwei. Hayes ist mit Anfang 20 gerade mal knapp halb so alt wie Solene. Und als wenn das nicht schon reichen würde, ist er ja eben obendrauf auch noch weltberühmt. Und beides ist eine höllische Mischung. Nicht nur der Altersunterschied stellt die beiden vor Herausforderungen. Auch der Promi-Status von Hayes macht den beiden zunehmend das Leben schwer. Genau von dieser Spannung lebt das Buch.
Da sind zwei erwachsene Menschen, einander sehr zugewand. Beide haben ihre Ecken und Kanten, ergänzen sich genau darin aber auch ganz wunderbar. Die Verbindung tut beiden einfach rund um gut, wird für beide immer tiefer und erfüllender. Warum damit aufhören?! Tja, sie sind nunmal nicht alleine auf der Welt. Es gibt die Gesellschaft und deren Normen. Demnach wird es eben immer noch eher seltsam gefunden, wenn in einer Liebesbeziehung die Frau deutlich älter ist als der Mann. Ein Mann kann durchaus eine deutlich jüngere Frau lieben ohne dafür gesellschaftlich verurteilt oder verspottet zu werden. Auch wenn es einzelne Gegenbeispiele gibt, sieht dennoch die gesellschaftliche Akzeptanz ganz anders aus, wenn eine Frau einen deutlich jüngeren Mann liebt. Und das erzeugt Druck, der sich im schlimmsten Fall auf die Beziehung auswirkt. Im Buch spiegelt sich in Solenes Selftalk die gesamte Bandbreite sämtlicher Gründe, warum eine Beziehung mit diesem Altersunterschied nicht funktionieren kann.
Und wenn dieser gesellschaftlich geprägte Apekt, der ja schon für Normalsterbliche eine mega Herausforderung darstellt, an die Öffentlichkeit gerät in Bezug auf einen Menschen, der im Rampenlicht steht, na dann gute Nacht! Und hier kommen wir zum weiteren spannenden Themenbereich des Buches. Ein Promileben mag aufregend und glamourös sein. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings die nur schwer zu hütende Privatsphere. Fans und Paparazzi können dermaßen rücksichtslos und grenzüberschreitend sein. Für Promis wird dadurch enorme Logistik notwendig um selbst einfachste Dinge unbehelligt unternehmen zu können.
Zusätzlich wird man als Promi gnadenlos zur Projektionsfläche für die seelischen Abgründe teilweise fanatischer Fans. Besonders verstärkt wird das durch Social Media. Im Buch ist das sehr spannend, weil dort die ganze Dynamik davon sehr realistisch und greifbar dargestellt wird. Ich finde, da passt auch ganz besonders der Titel der Buches sehr gut. Denn als Fan hat man definitiv immer nur eine „Idee“ von dem jeweiligen Promi, den man toll findet. Wirklich KENNEN tut man die Person nichten. Diese „Idee“ von der Person wird gezeichnet durch (Klatsch)Presse, in Filmen verkörperte Rollen und Songtexte. Und eben auch Social Media. Das hat aber mit dem echten Menschen dahinter wenig zu tun. Sondern es sagt letztlich vielmehr über das Innenleben des jeweiligen Fans aus.
Auf einer tieferen Ebene geht es bei der Geschichte um Selbstfindung und das Bedürfnis, man selbst sein zu können und genau darin auch gesehen zu werden. Und das haben Solene und Hayes im Grunde gemeinsam, so unterschiedlich ihrer beider Leben und Alltag auf den ersten Blick zu sein scheinen. Und das kommt im Buch tiefer und vielschichtiger rüber als im Film. Das Ende ist im Buch anders als das im Film. Beide scheinen mir „realistisch“. Das Ende im Film gefällt mir besser, denn es passt viel besser in mein gnadenlos romantisches Herz. Übrigens ist die Autorin selber auch Schauspielerin udn Produzentin. Das spürt man im Buch. Sie weiß, wovon sie spricht und das wird beim Lesen spürbar. Cooles Buch!
Ein Haus zum Träumen von Nora Roberts
Die Protagonistin Cilla kauft ihrer Mutter das inzwischen heruntergekommene Haus der Großmutter ab um es zu renovieren und dort zu wohnen. Außerdem will sie ihren Traum verwirklichen und auch noch andere alte Häuser renovieren um sie dann gewinnbringend zu verkaufen. Sie lernt ihren eigenwilligen Nachbarn kennen und die beiden verlieben sich. Auf dem Dachboden ihres Hauses findet Cilla einen Stapel alter Briefe, wodurch Fragen über den frühen Tod der Großmutter aufkommen.
Und auf einmal scheint jemand etwas gegen Cilla und ihre Renovierung zu haben, denn es kommt immer wieder zu seltsamen plötzlichen Unfällen, zB wird ihr Haus verwüstet, was sie in ihren Renovierungsarbeiten erheblich zurückwirft, ein alter Freund von ihr, der zu Besuch ist und bei den Renovierungen hilft, wird überfallen und landet im Krakenhaus. Mehr und mehr entsteht der Eindruck, dass irgendjemand aus der Gegend versucht Cilla daran zu hindern, die Wahrheit darüber rauszufinden, was damals wirklich mit ihrer Großmutter passiert ist.
Ein Haus zum Träumen von Nora Roberts ist eine Mischung aus Krimi und Liebesgeschichte mit einer Prise Erotik. Es isr recht unterhaltsam und liest sich im Grunde wie von selbst. Insgesamt schlicht und ergreifende easy reading Sommerlektüre. Die Charaktere finde ich durchweg interessant und echt gut gezeichnet. Besonders der Nachbar Ford gefällt mir, der als Comiczeichner alle möglichen Personen und Ereignisse in seine Arbeit einwebt, richtig cool! Das Einzige was mich gelangweilt und fast schon genervt hat, sind die Rückblicke ud Begegnungen mit der verstorbenen Großmutter in Cillas Träumen. Die hab ich einfach überblättert. Mein heimlicher Star des Buches war übrigens Spok, der Hund des Nachbarn 🙂
Conversations with Friends / Gespräche mit Freunden von Sally Sooney
Mein Einstieg in das Sally Rooney Universum war vor zwei drei Jahren das Buch Normal People. Das hab ich im Original gelesen, weil ich die Verfilmung so toll fand. Normal People ist aber eigentlich Sally Rooneys zweites Buch. Das erste, nämlich Conversations with Friends/Gespräche mit Freunden ist mir irgendwie entgangen. Vor ein paar Wochen habe ich zufällig gesehen, dass das Buch auch verfilmt wurde, auch als Miniserie, ähnlich wie Normal People. Weil mir auch diese Verfilmung gut gefiel, hab ich das Buch dazu gekauft. Ich hab es erst im Original gelesen und direkt hinterher nochmal auf Deutsch. Mega!
Es geht um die Begegnung zweier befreundeter Studentinnen mit einem ca 10 Jahre älteren Ehepaar, zischen denen sich eine Dreieckgeschichte, oder in gewisser Weise auch Vierecksgeschichte entwickelt. Aber das ist nur die Oberfläche, der äußere Rahmen. Im Kern geht es um die Frage, ob man mehrere Menschen gleichzeitig lieben kann und wenn ja, wie das dann aussehen könnte.
Auf einer anderen Ebene geht es darum, dass viele Menschen auf den ersten Blick anders scheinen als sie dann tatsächlich sind – ganz wertfrei betrachtet. Oder anders formuliert: man steckt nicht drin! Das, was wir nach außen zeigen, das was nach außen sichtbar ist, das, was wir von anderen wahrnehmen, ist oftmals nicht das, was in der jeweiligen Person wirklich vor sich geht. Kommunikation kann da eine Brücke schlagen – wenn man denn in der Lage ist zu kommunizieren.
Und auf einer noch anderen Ebene geht es darum, das ein und die selbe Person von unterschiedlichen Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen wird und in diesem Kontext dann auch ganz andere Seiten/Facetten sich zeigen (können). Und auf NOCH anderen Ebenen geht es darum, wie sehr menschliches Verhalten und Zusammenleben doch von gesellschaftlichen Labeln geprägt ist und dass es letzlich doch viel mehr darum geht, den Weg/das Leben sich unter den Füßen entfalten zu lassen anstatt alles direkt in eine (gesellschaftlich angepasste) Form zu pressen. Manche Dinge muss man einfach erleben um sie begreifen zu können. Ich liebe dieses Buch! Inhaltlich und sprachlich ne Wucht! Absolute Leseempfehlung!
Schöne Welt, wo bist du von Sally Rooney
Alice, Eileen und Denis kennen sich aus Dublin. Eileen arbeitet als Redaktionsassistentin in einem mittelmäßig erfolgreichen Literaturmagazin. Nach einer schmerzlichen Trennung findet sie Halt bei Denis, mit dem sie schon seit Kindertagen befreunde ist. Denis arbeitet in der Politik und ist praktizierender Christ. Beide fühlen sich zueinander hingezogen. Wäre es wert, die langjährige Freundschaft aufs Spiel zu setzen für eine Liebesbeziehung, die vielleicht irgendwann zerbrechen und damit auch die Freundschaft unmöglich machen würde?
Alice, eine erfolgreiche Schriftstellerin, hat sich aus Dublin zurückgezogen und hütet für unbestimmte Zeit ein Haus in einem Dorf an der Westküste, um sich von einer Depression zu erholen. Über Tinder lernet sie dort Felix kennen, der vor sich hin lebt und einem mehr oder weniger frustrierenden Job in einer Lagerhalle nachgeht. Die beiden verlieben sich, und natürlich, wie sollte es auch anders sein, ist es nicht leicht zwischen den beiden, aus unterschiedlichsten Gründen Als Alice und Denis bei Eileen zu Besuch sind, lernen sie bei dieser Gelegenheit natürlich auch Felix kennen.
Schön und gut! Worum geht es nun in dem Buch?
In Sally Rooney´s drittem Roman Schöne Welt, wo bist du gibt es drei Haupterzählstränge. Einmal den zwischen Alice und Felix. Dann den zwischen Eileen und Denis. Und dann Erzählstrang Nummer drei zwischen Eileen und Alice. Dieser entfalltet sich auf sehr interessante Art udn Weise in der Form, dass die beiden Frauen sich Emails schrieben, weil ja die eine weiterhin in Dublin und die andere auf der anderen Seite der Insel lebt. In diesen Emails reflektieren sie über das Leben im Allgemeinen und im Besonderen tauschen sie sich auch aus über das, was zwischen Alice und Felix sowie zwischen Eileen und Denis passiert bzw nicht passiert.
Ja, aber worum geht es denn nun in dem Buch?
Es geht um junge Erwachsene,d ie mit Anfabg Mitte 30 durchaus noch einiges vor sich haben im Leben, die aber über das ein oder andere auch durchaus schon gehörig desillusioniert sind aufgrund bereits gemachter Erfahrungen. Die vier Hauptfiguren fragen sich, auf ganz unterschiedliche Art, wer sie sind, was bisher aus ihnen geworden ist und wer sie eigentlich sein wollen. Es geht also augenscheinlich um Lebensfragen und Lebenskonzepte. Und es geht um (Liebes)Beziehungen, Sex und ganz viel Zwischenmenschliches, ganz viel Ausgessprochenes, Überlegtes und Nichtgesagtes. Zudem geht es auch um Klassenunterschiede, Christentum, Politik, Macht und (aktuelles) Zeitgeschehen.
Liebe in miesen Zeiten von Ewald Arenz
Clara und Elias sind die Hauptfiguren in dem Buch „Liebe in miesen Zeiten“ von Ewald Arenz. Beide werden ein Paar. Passiert so oft, was macht die beiden so besonders, dass darüber ein ganzes Buch geschrieben wird und es auch noch interessant sein könnte, das dann auch zu lesen?
Clara ist deutlich älter als Elias. Sie ist eine, ich würde mal sagen, eher eigenwillige Fotografin, die sich nach dem Tod ihres Mannes ziemlich zurückgezogen hat und seit Jahren einfach ihrem Alltag nachgeht. Dieser besteht aus Arbeit und die Sorge um die inzwischen alten Eltern, um die sie sich zusammen mit ihrem Bruder kümmert. Elias ist ein junger Schauspieler, der eine jugendliche Tochter aus einer früheren Beziehung hat und aktuell eine eher locker zusammen ist mit einer Frau, die sich mehr Verbindlichkeit wünscht, die er aber nicht bieten kann, weil er im Grunde nicht die gleichen Gefühle hegt, die Beziehung aber trotzdem weiterlaufen lässt, weil, naja, so ganz schlecht ist das ganze Arrangement ja auch nicht – erfüllt ihn aber auch nicht wirklich….
Die beiden treffen aufeinander und sofort ist da diese Anziehungkraft. Sie lernen sich näher kennen, mögen sich, tun sich gut – könnte alles wunderbar sein, wäre da nicht der Altersunterschied, das Jobangebot in einer fernen Stadt und die anderen Untiefen, die das Leben so mit sich bringt. Das ganze mündet in einer Trennung. Zunächst. Eine größere Kathastrophe macht beiden dann schließlich doch noch bewusst, wie sehr sie sich lieben – und am Ende wird alles gut, zwar knapp, aber es wird gut – und das ist die Hauptsache
Das Buch ist gut geschrieben, liest sich runter wie warme Semmel und ist durchaus vielschichtig und von den Charakteren her sehr gut gezeichnet. Auch die Nebenfiguren, wie zB Claras Bruder, ihre Eltern, Elias Freundin und seine Tochter bereichern die Geschichte. Insgesamt hab ich das Buch auf sehr angenehme Weise als „easy reading“ Lesevergnügen für Zwischendurch empfunden und genossen.
Intermezzo von Sally Rooney
Ich liebe ihre Bücher! Es ist wie es ist! Ich bin ein wirklich großer Sally Rooney Fan! Intermezzo ist ihr neustes Werk, erschienen am 24.09. und ja, ich habs schon verschlungen! Es ist meiner Meinung nach das bisher beste Buch von ihr. Auch wenn ich die vorherigen Bücher auch schon sooo so gut fand, so wird mit dem neuen Buch auch nochmal deutlich, wie Sally Rooney als Schriftsteller wächst und sich weiterentwickelt, ihre Themen weiter verfolgt, weiter vertieft, ausfeilt – wunderbar! Ich liebe das zurtiefst und dem lesend zu folgen ist für mich ein Hochgenuss!
Ivan und Peter, die beiden Brüder, könnten ungleicher kaum sein. Der eine Anfang 20, seit seiner Jugend das Schach-Wunderkind, introvertiert, leise, mit Zahnspange – der andere Anfang Mitte 30, Anwalt. Die Eltern getrennt, die Mutter lebt seit Jahren mit einem anderen Mann und dessen Kindern zusammen, der Vater ist vor kurzem verstorben.
Bei einem Schachturnier lernt Ivan Margret kennen, die das Kulturzentrum leitet, in dem das Turnier stattfindet. Margret ist viele Jahre älter als Ivan, noch verheiratet, aber getrennt lebend. Die beiden verbringen eine Nacht miteinander und so unwahrscheinlich es klingen mag, aus der Sache wird mehr, die beiden verlieben sich! Und Sally Rooney gelingt es so gut, dass das Aufblühen dieser Beziehung wirkt wie das Natürlichste der Welt. Denn, hey warum nicht? Die beiden tun sich gut, das Leben fühlt sich für beide, wenn sie zusammen sind, so viel besser an.
Peter unterhält eine Affaire mit der jungen Studentin Naomi, die etwa in Ivans Alter ist. Parallel ist er mit seiner Jugendliebe Sarah „befreundet“, die bis zu deren Trennung im Grunde zur Familie gehörte und auch noch immer eine lockere Freundschaft zu Ivan pflegt. Die Trennung kam nicht „freiwillig“, sondern Sarah hatte vor einigen Jahren einen schweren Unfall. Seitdem bestimmen phasenweise starke Schmerzen ihr leben, die es ihr nahezu unmöglich machen Sex zu haben. Dies veranlasste sie dazu, sich von Peter zu trennen. Dennoch wird im Laufe des Buches deutlich, wie sehr die beiden sich noch liebe und auch brauchen. Und Peter liebt auf seine Art inzwischen auch Naomi.
Peter kritisiert Ivans Beziehung zu Margret, aufgrund des Altersunterschiedes. Naja – der Altersunterschied zwischen ihm und Naomi ist im Grunde genauso groß. Was ist/soll da anders sein? Eigentlich nichts – ist es aber – zumindest in einigen Köpfen der Beteiligten, die wiederum die gesellschaftlichen Normen dazu wiederspiegeln. Und was würde gegen eine Dreiecksgeschichte zwischen Peter, Naomi und Sarah sprechen, wenn alle Beteiligten damit zufrieden sind? Krass welchen Druck auch hier die gesellschaftlichen Gepflogenheiten bei dem, was als „normal“ gesehen wird, in uns auslösen – und wie schwer es doch sein kann, sich davon zu lösen und nach dem zu gehen, was wir fühlen – uns auf das zu verlassen, was sich gut anfühlt, auch wenn es gegen alle Konventionen spricht.
In Intermezzo geht es (wieder) um Liebe und zwischenmenschliche Beziehungen und um die diesbezüglichen gesellschaftliche Ideen, Normen und Konventionen und wie sich diese auf die Gestaltung unseres Lebens im Allgemeinen und auf die Gestaltung unsere Beziehungen im Besonderen auswirken, besonders wenn sie abweichend, dem entgegensprechend sind, zu dem, was wir in uns fühlen und empfinden. Es geht um die Spannungen und Konflikte, die dann innen und außen entstehen und was die mit uns machen. Und es geht immer auch darum, wie andere Menschen uns prägen und die Beziehung zu unterschiedlichen Menschen auch unterschiedliche Facetten unserer Persönlichkeit aus uns herauskitzeln können – uns im Grunde irgendwie zu anderen Menschen machen.
Auf interessante Weise offensichtlich und gleichzeitig ganz versteckt ist das eigentliche Hauptthema des Buches im Grunde Trauer – kaum merklich subtil, zwischen den Zeilen, und dennoch durchdringt die Tatsache, dass beide Brüder ihren Vater verloren haben, jede Zeile, schwingt in allem mit, färbt alles ein, was sie tun und lassen, steht im Raum – der Vater, um den sie trauern, und auch nicht, weil sie nicht können – und die Trauer, die ihre Wege und Umwege dennoch findet, ebenso subtil wie bahnbrechend.
Das Buch ist grandios geschrieben, denn Sally Rooney ist einfach eine grandiose Autorin – ihr Spiel mit Sprache, sowohl inhaltlich als auch stilistisch läuft zu Höchstformen auf, die Charaktere sind tief gezeichnet und ich liebe es, dass bestimmte Punkte, ganz subtil, sich in den Büchern „wiederholen“ bzw weiterverwendet werden. Vielleich kommt sie ja irgendwann mal darauf unterschiedliche Protagonisten aus ihren einzelnen Büchern sich in einem ihrer nächsten Bücher treffen zu lassen. Das fänd ich extrem spannend! Und ich hoffe, dass ich noch sehr alt werde um noch möglichst viele Bücher dieser noch relativ jungen Autorin lesen zu können! Chapeau und danke für diesen Lesegenuss!
Wie siehts denn bei dir aus? Was war dein größter Lesegenuss in diesem Jahr? Schreibs mir gerne in die Kommentare! Ich freu mich von dir zu hören bzw zu lesen!